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Bewegungs-Störungen

Hierunter fallen eine unerwünschte Zunahme oder Abnahme der Beweglichkeit, z.B. Zittern, Zucken, Langsamkeit, Steifigkeit und Gangstörungen. So vielfältig wie die Symptome, sind die heute umfangreichen Behandlungsmöglichkeiten.

Was können Sie selbst gegen Bewegungsstörungen tun? Regelmäßiges Training kann Wunder wirken!

Folgende Erkrankungen sind Bewegungsstörungen:

  • Parkinson-Erkrankung (Schüttellähmung)
  • Atypische Parkinson-Syndrome (MSA, PSP, CBD)
  • Tremor (Zittern)
  • Lähmungen
  • Unruhige Beine (Restless Legs Syndrom, RLS)
  • Periodische Beinbewegungen im Schlaf
  • Tics und Tourette-Syndrom
  • Myoclonus (Zuckungen)
  • Morbus Wilson
  • Chorea
  • Dystonien
  • Ataxien
  • Spätdyskinesien
  • Ballismus
  • Funktionelle Bewegungsstörungen

“Akzeptieren bedeutet nicht Aufgeben. Es bedeutet zu verstehen, dass etwas ist wie es ist und es einen Weg hindurch geben muss.”

– Michael J. Fox

“Es sind nicht die Berge vor dir, die dich ermüden. Es ist der Kieselstein in deinem Schuh.”

– Muhammed Ali

Stimmen zweier bekannter Parkinson-Patienten

Vorsorge

Das Auftreten von Bewegungsstörungen lässt sich nicht zuverlässig verhindern.


Ein allgemein gesunder Lebenswandel mit viel Sport, gesunder Ernährung  und erholsamen Schlaf ist jedoch förderlich. Dies gilt auch nach der Diagnosestellung.


Wesentlich ist, den Verlauf günstig zu beeinflussen. Bei regelmäßigen ärztlichen Besuchen können Fehlentwicklungen früh erkannt und rechtzeitig bearbeitet werden, um Komplikationen der Erkrankung oder der Therapie zu verhindern. Diese müssen nicht unbedingt die Bewegung selbst betreffen. Auch Themen wie Schlaf, seelisches Empfinden, Vermeidung von Stürzen, Ernährung, Blasen- und Verdauungsfunktion können relevant sein.

Krankheitsbild

Bewegungsstörungen beruhen auf Schädigungen des so genannten extrapyramidalen motorischen Systems, welches für die Planung und Ausführung von Bewegungen des Körpers zuständig ist. Bei den meisten Menschen beginnen die Beschwerden allmählich, sie entwickeln sich schleichend. Nur wenige Menschen haben einen akuten Beginn. Dabei kann die Beweglichkeit einerseits in unerwünschter Weise zunehmen (Zittern, Zucken,  ausladende, unkontrollierte Bewegungen oder übertriebene Gesten). Sie kann jedoch auch unerwünscht abnehmen. Fehlhaltungen, Steifheit, Langsamkeit, ein unsicherer Gang, Schwäche oder auch der Verlust über den praktischen Umgang mit sich selbst oder mit Gegenständen können auftreten. Teils liegen die Symptome in Kombination vor. Zuweilen werden auch das Gemüt, der Schlaf, die Verdauung, die Harnblase oder andere Körperbereiche beeinträchtigt.


Parkinson-Erkrankung: Es handelt sich um eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Ca. 1% der >60 Jährigen ist betroffen, Männer häufiger als Frauen. Es finden sich im Gehirn fehlerhafte Faltungen des Alpha-Synuklein-Proteins, welche sich in Nervenzellen ablagern und allmählich zu deren Untergang führen (Lewy-Körperchen).  Je nachdem in welchem Hirnareal diese sich häufen, sehen die Symptome etwas anders aus.  Unterschieden werden die motorischen von den nicht motorischen Symptomen. Die ersteren bestehen aus Tremor (Zittern), Rigor (Muskelsteifigkeit), Bradykinesie (Langsamkeit), instabiler Körperhaltung und einer charakteristischen Gangstörung. Bei den nicht motorischen Symptomen sind zu nennen: Verstopfungsneigung, Geschmacks- und Geruchsstörungen, Depression, REM-Schlafstörung mit dem Ausleben wilder Albträume, Angst, Apathie, Lustlosigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Speichelfluss, Tagesmüdigkeit, vermehrtes Schwitzen und andere. Viele Symptome der Parkinson-Erkrankung lassen sich medikamentös erfolgreich lindern.


Atypische Parkinson-Erkrankungen: Hierzu gehören insbesondere die progrediente supranukleäre Blickparese (PSP), corticobasale Degeneration (CBD) und multiple Systematrophie (MSA). Diese Erkrankungen gehen auch mit krankhaften Proteinablagerungen im Gehirn einher, nämlich alpha-Synuklein bei der MSA, Tau bei der PSP und CBD. Sie sind viel seltener als die klassische Parkinson-Erkrankung, verlaufen aber rasanter und sich schwieriger zu behandeln. Zu den atypischen Parkinson-Syndromen gehören auch solche Varianten, die durch Schlaganfälle, Vergiftungen (MPTP), Medikamente (Neuroleptika) oder wiederholte Hirnverletzungen (chronisch traumatische Enzephalopathie) ausgelöst wurden.


Tremor: Zittern, eine ungewünschte, rhythmische, oszillatorische Bewegung, kann auch ohne Parkinson als eigenständiges Symptom bzw. eigenständige Erkrankung auftreten.  Tremor-Erkrankungen werden weiter unterteilt, je nach betroffener Körperregion, Ursache und Verlauf. Unterschieden werden u.a. der essentielle Tremor, verstärkte physiologische Tremor, medikamenteninduzierte Tremor, dystone Tremor, Schreibtremor, orthostatische Tremor, zerebelläre Tremor, Holmes-Tremor, funktionelle Tremor, Tremor bei Morbus Wilson, bei fragilem X-Syndrom und bei der peripheren Neuropathie sowie bei Hyperthyreose und bei Medikamentennebenwirkungen.


Tics: Tics sind kurze, mehr oder weniger einfache oder komplexe, unwillkürliche Bewegungen bzw. Lautierungen, die besonders bei Stress auftreten und deren Ausführung den Stress reduzieren kann. Sie beginnen meist in der Kindheit, wo sie sehr häufig au sind, wachsen sich dann aber meist aus. Die schwerste und bekannteste Form ist das Tourette-Syndrom, bei dem teils auch komplexe Schimpfwörter als Tic ausgesprochen werden.


Dystonie: Die Dystonie ist durch unwillkürliche, anhaltende Muskelverspannungen gekennzeichnet. So kann es z. B. zu einer Verdrehung einzelner Gliedmaßen, des Rumpfes, Nackens oder ganzen Körpers kommen.  Sie beruht auf einem Ungleichgewicht der Aktivität der motorischen Hirnzentren. Es gibt sehr viele unterschiedliche Ursachen, viele sind genetisch bedingt. Die Nackenverdrehung (Schiefhals, Torticollis spasmodicus) ist die häufigste Dystonie, die wir behandeln.


Chorea: hier treten kurze, ungleichmäßige, schnelle, unwillkürliche Bewegungen auf, die von einem Körperteil auf den anderen übergehen. Kommen weiche, fließende, windende Bewegungen hinzu, spricht man von einer Athetose. Die beiden liegen oft kombiniert vor. Es gibt zahlreiche verschiedene Ursachen wie rheumatisches Fieber und Hormonveränderungen wie z.B. im Schilddrüsenbereich oder in der Schwangerschaft. Auch Nebenwirkungen von Medikamenten gegen Psychosen. Parkinson oder Übelkeit können die Auslöser sein. Gefürchtet ist die Erbkrankheit Chorea Huntington, da sie mehr oder weniger rasch fortschreiten kann.


Ataxie: Hier handelt es sich um Koordinationsstörungen. Ursache sind Störungen des Kleinhirns (Cerebellum, cerebelläre Ataxie) bzw. der sensorischen Bahnen, die zum Cerebellum führen (sensorische Ataxie).  Das wichtigste Symptom ist die Gangstörung, welche sich so anfühlt, als wäre zu viel Alkohol konsumiert worden. Neben dem breiten, schlurfenden, unsicheren Gang treten auch Doppelbilder, und ein Fehleinschätzung der Entfernungen auf. Gezielte Bewegungen, z.B. Greifen nach einem Objekt, gehen daneben oder führen zu Zittern. Tatsächlich ist eine Alkoholvergiftung eine von vielen möglichen Ursachen für eine Ataxie. Es kommen jedoch auch andere Vergiftungen, Gefäßerkrankungen, Infektionen, Entzündungen, Tumoren, psychosomatische und genetische Erkrankungen als Ursache ins Frage.


Myoklonien:  Kurze, blitzartige Anspannung eines Muskels oder einer Muskelgruppe, die zu einem unwillkürlichen Zucken führt. Beim Einschlafen kann dies durchaus normal sein. Auch der gemeine Schluckauf ist eine Form der physiologischen, also nicht krankhaften Myoklonien. Nehmen Myoklonien im Wachzustand jedoch Überhand, kommen eine Vielzahl von Ursachen in Betracht, von Epilepsie über Stoffwechselstörungen und Arzneimittelnebenwirkungen bis zu seltenen genetischen Erkrankungen.


Früh- und Spätdyskinesien: Hier handelt es sich um eine Gruppe von Bewegungsstörungen, die insbesondere bei der Anwendung von Neuroleptika in der Behandlung einer Schizophrenie auftreten können, jedoch auch durch Mittel gegen Übelkeit (MCP, Domperidon) oder gegen Migräne (Flunarizin) ausgelöst werden können. Gemeinsam ist diesen Medikamenten, dass sie den Neurotransmitter Dopamin blockieren. Sie können verschiedene Formen annehmen, z.B. Parkinsonismus, Tics, Chorea, Myoklonien usw.  Nehmen Sie solche Medikamente und treten ungewöhnliche Bewegungen auf, melden Sie sich bitte umgehend.


Spastik: hier liegt eine dauerhaft erhöhte Anspannung vor, welche die Gliedmaßen in eine typische, funktionsuntüchtige Haltung zwingt. Spastik ist eine Spätfolge jede Störung des pyramidalen Bewegungssystems, also der Verbindung zwischen der primären motorischen Rinde und dem Rückenmark. Diese kann angeboren oder erwerben sein, typische Ursachen sind Schlaganfälle (Mono- und insbesondere Hemispastik, also eine Gliedmaße bzw. eine Körperhälfte betreffend) oder Rückenmarkserkrankungen (insbesondere Para- und Tetraspastik, also die untere Körperhälfte bzw. alle vier Gliedmaßen betreffend.

Diagnostik

Die Diagnose von Bewegungsstörungen wird vornehmlich klinisch gestellt. Im ärztlichen Gespräch erarbeiten wir den Beginn und die Entwicklung der Symptome. Viele Details sind wichtig, etwa das Vorkommen ähnlicher Störungen in der Familie, eine aktuelle Liste Ihrer Medikation und Vorbefunde, z.B. über früher eingenommene psychiatrische Medikamente.


In der körperlichen Untersuchung zählen vor allem die Haltung, die Körperspannung, das Gleichgewicht und das Gangbild. Anhand dieser Informationen entwickelt sich ein Syndrom.


Die Ursache wird dann ggf. mittels Zusatzdiagnostik weiter untersucht (z.B. mit Neurophysiologie oder Bildgebung).


Zuletzt wird passend zu den Ergebnissen die richtige Therapie ausgesucht.

Sich mit Neurologie zu beschäftigen, bedeutet, einen Fall nach vorn zu denken und auch bei der Therapieauswahl immer in Bewegung zu bleiben!

Therapie

Einige Bewegungsstörungen (z. B. Störungen des Stoffwechsels oder des Hormonhaushalts) weisen heilbare Ursachen auf. Ist die Ursache nicht heilbar, hat die Therapie vor allem die Kontrolle der Symptome zum Ziel.


Der Behandlungserfolg beruht auf zwei Säulen: Der Medikamententherapie und dem aktiven Bewegungstraining. Unter Zuhilfenahme Ihrer Vorgeschichte und Begleitmedikation finden wir gemeinsam das richtige Medikament für Sie. Sollten medikamentöse und physiotherapeutische Maßnahmen nicht ausreichen, überweisen wir Sie an Spezialkliniken, wo anschließend chirurgische Maßnahmen angeboten werden können, z.B. die tiefe Hirnstimulation oder die hochfrequente Ultraschallablation. Typische Medikamente im Einsatz sind:


Parkinson-Medikamente: Levodopa/Carbidopa und Levodopa/Benserazid ersetzen das bei der Parkinson-Erkrankung nur noch unzureichend im Gehirn hergesetellte Dopamin. Es sind verschiedene Tabletten und Kapseln sowie Lösungen für Pumpen und Inhalationspulver verfügbar. Die Levodopa-Wirkung wird verlängert wenn Entacapon, Tolcapon oder Opicapon hinzugenommen werden. Selegilin, Rasagilin und Safinamid verlängern die Wirkung des körpereigenen Dopamins. Eine Reihe weiterer Medikamente werden als Dopamin-Agonisten bezeichnet. Sie binden an den Dopamin-Rezeptor. Hierzu gehören Pramipexol, Piribedil, Ropinirol, Rotigotin und Apomorphin. Weitere Medikamente, darunter Amantadin, Trihexyphenidyl und Benztropin reduzieren den Parkinson-Tremor über andere Mechanismen.


Spastik-Medikamente: Zur Lösung der Muskelspannung werden unter anderem Baclofen, Tizanidin und Tolperison eingesetzt. Sie weisen  jeweils unterschiedliche Wirkmechanismen auf. Benzodiazepine wie Clonazepam wirken ähnlich wioe Baclofen über den GABA-Rezeptor. Bestimmte Antiepileptka wie Pregabalin weisen auch eine muskelentspannenden Wirkung auf. Für die Spastik bei multipler Sklerose stehen auch Cannabis-Präparate zur Verfügung (CBS-THC-Mischungen). Besonders bei umschriebenen Spastiken einer einzelnen Extremität kann der lokale Einsatz von Botulinumtoxin sehr hilfreich sein.


Tremor-Medikamente: Am wichtigsten ist hier der Betablocker Propranolol.  Die Antiepileptika Primidon, Pregabalin, Topiramat und Clonazepam werden ebenfalls eingesetzt.


Chorea-Medikamtente:  Hier kommen Stoffe zum Einsatz, die den Dopamin-Stoffwechel beeinflussen, vor allem Tetrabenazin als VMAT-Blocker, außerdem Dopaminrezeptor-Antagonisten (Neuroleptika).


Dystonie-Medikamente: Hier kommen je nach Typ Antispatika, Anti-Parkinson- oder Anti-Chorea-Medikamente sowie Botulinumtoxin zum Einsatz.

Quellen
Continuum Movement Disorders, August 2019, Vol.25, No.4

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Hilfe und Selbsthilfe

Es gibt zahlreiche Vereine und Selbsthilfegruppen, die nützliche Informationen zusammengetragen haben:

Parkinson Vereinigung
Parkinson-Journal
Ping Pong Parkinson
Parkinson Gesellschaft
PSP-Gesellschaft
MSA-Infos
Restless Legs
Dystonie
Tremor Köln Bonn
Ataxie
Tics/Tourette: IV-TS
Chorea Huntington: DHH e.V.

Downloads

Beweglichkeitskalender (PDF)
RLS-Fragebogen (pdf)