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Psychose

Hier liegt eine Realitäts-Verzerrung vor. Wahnvorstellungen, Sinnestäuschungen und bizarre Denkmuster lassen die Grenzen des Ichs und der Umwelt verschwimmen, was mit Erregung und Angst einhergeht. Sehr wichtig ist zu unterscheiden, ob eine strukturelle oder rein funktionelle Hirnerkrankung zu Grunde liegt, z.B. Schizophrenie, zumal die Behandlungsoptionen sehr vielfältig sind.

Menschen mit Psychosen sind oft sensibler, feinfühliger und seelisch verletzbarer als andere. Unter Belastungen droht dann der Ausbruch oder Rückfall. Wenden Sie sich dann an uns!

Folgende Formen werden unterschieden:

  • Schizophrenie.
  • Akute, vorübergehende Psychose.
  • Wahnhafte Störung.
  • Schizoaffektive Störung.
  • Schizotype Persönlichkeit.
  • Drogen/Alkohol induzierte Psychose.
  • Organisch bedingte Psychose.
  • Katatonie.

„Gefährlich ist’s, Löwen zu wecken, Und grimmig ist des Tigers Zahn, Jedoch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.“

– Friedrich Schiller – Dichter,  “Die Glocke”

“Zwei kritische Ideen mussten versöhnt werden: psychisch krank sein UND ein reiches, erfüllendes Leben leben.”

– Prof. Elyn Saks – Schizophrenie-kranke Juristin und Wissenschaftlerin

Vorsorge gegen Psychosen und Rückfälle

  • Setzen sie Ihre Medikamente nicht plötzlich ohne Rücksprache ab! Bei schweren Nebenwirkungen kann ggf. Ersatz gefunden werden.
  • Belesen Sie sich zu Ihrer Erkrankung und tauschen sich in Selbsthilfegruppen mit Betroffenen aus.
  • Auch ihre nahen Angehörigen sollten mit der Erkrankung vertraut werden.
  • Kommen Sie regelmäßig zur ärztlichen Untersuchung, auch wenn es Ihnen wieder gut geht! Machen sie sich ggf. vorher Notizen, was ihnen beim geplanten Gespräch besonders am Herzen liegt.
  • Achten Sie auf Frühwarnzeichen, z.B. Veränderungen der Stimmung, der Motivation oder der Organisiertheit und teilen sie diese ihren Vertrauenspersonen mit.
  • Stellen Sie gemeinsam einen Krisenplan auf.
  • Achten Sie auf ausreichenden, erholsamen Schlaf und gesunde Ernährung.
  • Konzentrieren Sie sich im Freundeskreis und in der Familie auf Personen, die wirklich zählen. Überfordern sie sich und sie nicht.
  • Igeln Sie sich aber auch nicht ein. Die richtige Balance zu finden, ist nicht leicht. Mit einem funktionierenden sozialen Umfeld ist ihre Prognose definitiv besser!
  • Hände weg von Drogen und Alkohol, Cannabis (THC) und Halluzinogene sind hier besonders gefährlich.

Krankheitsbild

Psychosen sind durch ausgeprägte Beeinträchtigungen der Realitätsprüfung und des Verhaltens gekennzeichnet. Sie äußern sich in mehreren Domänen:


Wahn: Festgefahrene Vorstellungen, die sich nicht durch widersprüchliche Erfahrungen oder Belege korrigieren lassen. Beim Beeinträchtigungswahn fühlt man sich von der Umwelt erniedrigt, unterdrückt oder verhöhnt. Beim Verfolgungswahn dominiert die Vorstellung, z.B., vom Geheimdienst überwacht und verfolgt zu werden.  Im Beziehungswahn werden Dinge und Ereignisse der Umwelt auf sich bezogen, z.B. werden Nachrichten im Radio als geheime Botschaften ans Selbst wahrgenommen. Im Schädigungswahn dominiert die Idee, das man andere schädigt, ihnen Unglück bringt. Verwandt sind auch der Schuld- und Versündigungswahn, z.B. dominiert die Vorstellung, durch seine Sünden Schuld an einem Übel in der Welt zu sein. Der Größenwahn zeichnet sich durch Überzeugungen aus, man sei eine besonders wichtige Person, z.B. ein politischer Heilsbringer oder religiöser Prophet.  Körperbezogene Wahnvorstellungen können z.B. die Idee beinhalten, schwanger zu sein oder unter einer unheilbaren Krankheit zu leiden.


Halluzinationen: Sensorische Wahrnehmungen ohne eine externe Entsprechung. Hierzu gehören bei der Schizophrenie vor allem akustische Halluzinationen, oft in Form von Stimmen, welche nicht selten die eigenen Handlungen kommentieren oder sich im Befehlston äußern. Musikhören, Tinnitus o.ä. ist hingegen seltener und hat oft Ursachen im Hörsystem selbst. Bei visuellen Halluzinationen werden Trugbilder wahrgenommen, z.B. herumkrabbelnde Insekten. Sie treten vor allem bei einem Delirium, Demenzerkrankungen, Drogenkonsum- oder Alkoholentzug auf. Halluzinationen, die nur beim Erwachen oder Einschlafen aufkommen, können Teil des normalen Erlebens oder einer Schlafstörung sein. Halluzinationen des Geruchs- und Geschmackssinns sowie des Körpergefühls sind bei der Schizophrenie ebenfalls selten, sie finden sich eher bei Epilepsie (Geruch, Geschmack) oder beim Delirium (Körpergefühl). 


Desorganisation im Denken und in der Sprache: Hierzu gehören z.B. eine sehr leichte Ablenkbarkeit, ein Vorbeireden (“nicht zum Punkt kommen”), eine Lockerung der Assoziationen (“vom Hölzchen aufs Stöckchen”), eine Ideenflucht, die Erfindung neuer Wörter und Phrasen, das Wiederholen von Wörtern oder Phrasen sowie ein Abreißen von Gedanken, eine plötzliche Denkblockade.


Grob desorganisiertes Verhalten: Handlungen werden nicht bis zum Ende geführt oder sinnlos immer weiter wiederholt. Die Kleidung wird unpassend gewählt und schlampig angezogen, die Ernährung und Körperpflege vernachlässigt. Es finden vermehrte Selbstgespräche statt, teils auch eine rapide Abnahme der Sprache bis zur Verstummung (Mutismus). Wird das Handeln ganz eingestellt, erstarren, liegen, sitzen oder stehen Betroffene in teils bizarren, dauerhaften Haltungen (Stupor). Das gegensätzliche Extrem ist eine Bewegungsunruhe, z.B. ein rast- und zielloses Hin- und Herlaufen. Kindisches Verhalten, unpassendes Lachen, Grimassieren oder Nachmachen des Gegenübers sind weitere Varianten.


Negativsymptome: Diese sind weniger prominent als die oben genannten “Positivsymptome”. Sie entscheiden aber sehr stark darüber, in wie weit man als Person im Alltag funktioniert, sei es  allein oder in einer Gruppe. Der emotionale Ausdruck verflacht, die Motivation schwindet, die Sprache wird karg und arm. Nichts macht mehr Freude, besonders der soziale Umgang mit anderen.


Aus der Kombination der oben genannten Symptome sowie ihrer Dauer, Intensität und Häufigkeit lassen sich unterschiedliche Krankheitsbilder konstruieren:


Schizotype Störung: Betroffene weisen einen Hang zu magischem Denken, Illusionen und Beziehungserleben auf, entwickeln jedoch nicht das Vollbild eines Wahns. Sie werden von anderen meist als einzelgängerische, eigenbrötlerische Menschen angesehen. Etwa 3% der Bevölkerung ist betroffen.


Wahnhafte Störung: Betroffene weisen über einen längeren Zeitraum wahnhafte Symptome auf, welche ihre Funktion im Alltag jedoch nur gering einschränken. Klassiker wären, z.B., die heimliche Liebe eines Hollywood-Stars zu sein oder unter der Beobachtung dämonischer Mächte zu stehen. Die Störung ist mit ca. 0,3% Prävalenz eher selten.


Vorübergehende, psychotische StörungDurch einen klaren Auslöser, z.B. ein kritisches und stressbehaftetes Lebensereignis, etwa eine Geburt, wird eine vorübergehende Psychose ausgelöst, die sich binnen eines Monats oder schneller zurückbildet. Dauert die Episode mehr als ein Monat, aber weniger als sechs an, kann von einer schizophrenieformen Störung gesprochen werden.


Schizophrenie: Die Schizophrenie ist eine schwere, chronische psychiatrische Erkrankung. Sie betrifft 1% der Weltbevölkerung und tritt meist im jungen Erwachsenenalter auf. Im Gegensatz zur Bedeutung “gespaltene Persönlichkeit” im Volksmund, umfasst sie eine Kombination aus wenigstens zwei der oben genannten Symptome (Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Gedanken oder Sprache, grob desorganisiertes Verhalten, Negativsymtome) wobei immer zumindest der Wahn, die Halluzinationen oder die Desorganisation vorhanden sind.


Schizoaffektive Störung: Hier liegt eine Kombination aus der Schizophrenie und einer affektiven Störung vor.


Psychosen bei Drogen- oder Alkoholgebrauch: Je nach Substanz treten in der akuten Intoxikation, z.B., Halluzinationen auf (etwa bei LSD). Oder aber in der Langzeitnutzung und im Entzug (vor allem bei Alkohol). Gerade der unter Alkoholikern verbreitete Eifersuchtswahn ist nicht selten die Ursache von Gewalt und weiterem Leid. Bei der Nutzung von Cannabis bilden sich hingegen nicht selten Negativsymtome oder eine vollständige Psychose heraus.


Organisch bedingte Psychose: Hier beruht die Psychose auf einer strukturellen oder metabolischen Hirnerkrankung, z.B. einer Hirnentzündung, einem Hirntumor oder einer Epilepsie.


Katatonie: Eine Kombination aus Symptomen einer verminderten, gesteigerten oder abnormen psychomotorischen Aktivität. Hierzu gehören Stupor, Katalepsie, wächserne Flexibilität, Mutismus, Negativismus, Manierismen, Haltungsschablonen, Agitationen, Stereotypien und Echopraxien. Katatonie kann bei primär psychotischen Erkrankungen auftreten, allerdings auch bei metabolisch oder strukturell bedingten Hirnerkrankungen.

Diagnostik

Im ärztlichen Gespräch werden Details zur Art, zum Beginn und zur Dauer der Symptome erfragt. Vom Patienten teils schwer in Worte auszudrückende Zustände werden ins psychiatrische Fachvokabular übersetzt und erlauben hiernach eine Kategorisierung in die verschiedenen Krankheitsgruppen. Im Weiteren wird wie bei anderen Erkrankungen auch die medizinische Vorgeschichte, die Einnahme von Rauschmitteln und Medikamenten, sowie die berufliche, soziale und familiäre Situation erfragt.


Eine der wichtigsten Aufgaben der Praxis ist anfangs, eine Unterscheidung zwischen primären und sekundären psychotischen Störungen zu treffen.  Letztere gehen z.B. auf Drogen oder auch strukturelle Erkrankungen des Gehirns wie Tumore oder Entzündungen zurück. Daher werden bei entsprechendem Verdacht auch neurophysiologische, laborchemische oder bildgebende Untersuchungsverfahren – vor allem  die Blutabnahme, die Elektroenzephalographie (EEG) oder eine Kernspintomographie in einem radiologischen Institut – eingesetzt.

Jedes Menschenleben ist wertvoll. Geschlecht, Hautfarbe, Religion, sexuelle oder politische Orientierung, psychische Krankheiten: tun nichts zur Sache.

Therapie

Falls sich eine organische Grunderkrankung findet, wird diese prioritär behandelt.


Die Symptome der Psychose werden je nach Leidensdruck vornehmlich mit Neuroleptika medikamentös behandelt. Diese blockieren zu einem mehr oder minder großen Teil die Aktivität des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn. Es werden auch die Effekte von Serotonin, Noradenalin, Acetylcholin und Histamin beeinflusst. Neben der erwünschten Hauptwirkung gegen Wahn, Halluzination und Desorganisiertheit wirken sie auch beruhigend, schlafanstoßend und, z.T., sogar antidepressiv. Sie dämpfen teilweise auch körperliche Symptome wie Übelkeit und Juckreiz.


Unterschieden werden zwei Generationen von Medikamenten. Die älteren Substanzen werden im Fachjargon als typsiche, die neueren als atypische Neuroleptika bezeichnet. Sie werden wiederum je nach Wirkstärke in “niederpotente” und “hochpotente” Mittel unterteilt.


Die Wirksamkeit ist innerhalb der genannten Substanzgruppen recht ähnlich. Entscheidend für die Auswahl sind vor allem die Nebenwirkungen sowie die medizinischen und sozialen Begleitumstände der Erkrankung. Besonders relevante Nebenwirkungen umfassen eine Gewichtszunahme, das Auftreten von Blutzucker- und Fettstoffwechselstörungen sowie von Bewegungsstörungen, die einer Parkinson-Erkrankung ähneln können. Beim besonders wirksamen Clozapin kommen Störungen des Knochenmarks hinzu. Einige Substanzen können auch Herzrhythmusstörungen auslösen. Um diese Risiken zu minimieren, wird die Langzeittherapie ärztlich begleitet.



Hier eine nach chemischen Gesichtpunkten sortierte Übersicht der Neuroleptika. Von der Vielzahl der Substanzen werden in Deutschland etwa zwei Dutzend praktisch eingesetzt.

  • Benzamide: Amisulprid, Sulpirid, Tiaprid.
  • Benzisoxazole: Risperidon, Paliperidon.
  • Benzoisothazole: Lurasidon, Ziprasidon.
  • Butyrophenone: Haloperidol, Pipamperon, Melperon, Droperidol, Lumateperon.
  • Dibenzodiazepine: Clozapin.
  • Dibenzozhiazeptine: Quetiapin, Clotiapin.
  • Dibenzoxazepin: Loxapin.
  • Phenothiazine: Chlorpromazin, Fluphenazin, Promethazin, Levomepromazin, Promazin.
  • Phenylindolene: Sertindol.
  • Phenylpiperazine: Aripiprazol, Brexpiprazol.
  • Thienobenzodiazepine: Olanzapin.
  • Thioxantheme: Chlorprohixen, Flupentixol, Zuclopenthixol.

Neben der medikamentösen Therapie kommen auch Maßnahmen der Psychoedukation und der Psychotherapie wichtige Rollen zu, insbesondere wenn es nach einer psychotischen Episode gilt, den Wiedereinstieg ins alltägliche Leben zu schaffen.



Bei einer schweren Psychose ist häufig eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik sinnvoll. Dort kann der Patient intensiver ärztlich betreut werden und erhält eine feste Tagesstruktur. Zudem kann die Medikation unter ärztlicher Überwachung gezielt eingestellt werden.



Quellen
Julayanont P, Suryadevara U. Psychosis. Continuum. Behavioral Neurology and Psychiatry p. 1682-1711. December 2021, Vol.27, No.6

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Infos & Selbsthilfe

Hier finden Sie eine kleine Auswahl an nützlichen Informationen, die Ihnen helfen:

Rat und Tat e.V. Köln
Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW e.V.
Kompass Therapiebegleiter

Downloads

Protokoll zum Stimmenhören
Krisenpass für Psychose-Erfahrene (pdf)