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Verletzungen

Unfälle und Gewalt können zu unterschiedlich schweren Verletzungen führen. Einmalige Gehirnerschütterungen und Schleudertraumata heilen folgenlos ab, dies kann aber seine Zeit dauern. Wiederholte Gehirnerschütterungen oder schwerere Verletzungen wie Rückenmarks- und Hirnquetschungen oder Blutungen benötigen eine langfristige Nachsorge. Wenn auch nicht immer alles heilt, können die Folgen doch oft entscheidend gelindert werden.

Eine Verletzung des Nervensystems wirbelt das Leben durcheinader. Mit Geduld, angepasstem Training und der richtigen ärztlichen Behandlung kann aber vieles besser werden!

Verletzungen des Nervensystems:

  • Gehirnerschütterung
  • Schleudertrauma
  • Hirnquetschungen
  • Hirnblutungen
  • Schädelfrakturen
  • Rückenmarksverletzungen
  • Wurzelausrisse
  • Plexusverletzungen
  • Nervenverletzungen
  • Muskelverletzungen

Eine Unachtsamkeit, ein Foul, ein Überfall, eine heftige Windböe,  ein gefrorener Gehweg, ein Gläschen zuviel.


Tage, Wochen, Monate, manchmal Jahre des Bangens und der langsamen Erholung.


Keine Hirnverletzung ist leicht genug, um sie zu ignorieren. Kaum eine Hirnverletzung ist schwer genug, um jede Hoffnung aufzugeben.

Vorsorge

  • Kein Alkohol vor der Fahrt (auch mit dem Fahrrad!).
  • Fahrrad, Ski, Skateboard: Helm tragen.
  • Nicht rasen, auch nicht wenn man spät dran ist.
  • Bei Kopfverletzungen im Training: Pause für heute.
  • Bei Kopfverletzungen mit kurzer Ohnmacht im Wettkampf: Ab auf die Bank. Es wird noch andere Wettkämpfe geben.
  • Nach einer leichten Kopfverletzung: Alles ein paar Tage erstmal langsamer angehen lassen.

Krankheitsbild

Das zentrale Nervensystem ist ein sehr weiches und empfindliches Gewebe. Es wird glücklicherweise durch Haut, Muskeln und Knochen gut gegen Verletzungen abgeschirmt. Dennoch gehen im Falle eines Kopfanpralls auch Schockwellen durch das Gehirn. Man stelle sich einen Eimer Wackelpudding vor, gegen den man tritt.


Gerade im Kopfbereich kann der Schädel mit seinen harten Außenwänden zum Problem werden: Schwillt das Gehirn nach einer Verletzung an oder blutet es hinein, hat es keinen Platz sich auszudehnen. Die Folge ist ein gesteigerter Hirndruck mit entsprechenden Folgeschäden (z.B. Einklemmungen von Hirnstrukturen oder Nerven).


Einmal verletzt, heilen Strukturen im Gehirn nur langsam. Einmal zerstörte Strukturen wachsen anders als etwa Haut oder Knochen gar nicht oder nur teilweise nach. Periphere Nerven sind hingegen härter im Nehmen als das Zentralnervensystem, da sie feste Faserbündel enthalten. Im Falle von Quetschungen, Durchtrennungen oder Abrissen besteht durchaus die Möglichkeit, dass diese nachwachsen. Allerdings dauert es meist recht lange. Ein unterbrochener Nerv kann um bis zu 1 Millimeter pro Tag nachwachsen. Folgende Arten von Verletzungen werden unterschieden:



Im Kopfbereich:


Grad 1 (Leichtes Schädel-Hirn-Trauma, Gehirnerschütterung, Commotio cerebri, Concussion): Dies ist die häufigste und harmloseste Form des Schädelhirntraumas (SHT). Sie tritt häufig bei Auffahrunfällen und Kontaktsportarten auf. Nach dem Anprall bestehen allenfalls kurze Bewusstseinsstörungen (z.B. Verwirrtheit) von weniger als 5 Minuten Dauer. Es besteht keine Verletzung der Hirnstruktur oder der Schädelknochen.


Postkommotionelles Syndrom: In der Zeit nach einem leichten SHT können (Stunden bis zu mehreren Tagen, seltener auch für Wochen) Kopfschmerz mit Übelkeit, verminderte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, eine schwankende Stimmungslage und Schwindelgefühl auftreten. Das Gehirn braucht in dieser Zeit viel Energie, um leichtere Schäden zu heilen. In dieser Zeit sollte eine gewisse körperliche Schonung stattfinden. Statt hartem Training empfehlen sich Spaziergänge und ausreichender Schlaf. Vermieden sollte in jedem Fall ein zweites Trauma. Dieser Second Hit gegen das Gehirn in der Erholungsphase wird oft besonders schlecht vertragen. Sollte das SHT während eines Wettkampfs aufgetreten sein, empfiehlt es sich, den betroffenen Spieler vom Feld zu nehmen. In den letzten Jahren wurden die Regeln z.B. beim American Football und Eishockey daher auch immer strenger, wenn es um Kopfverletzungen geht.


Grad 2, Mittleres SHT: Hier treten häufiger Bewusstseinsstörungen auf, die 5-30 min andauern. Begleitverletzungen des Schädels, z.B. Frakturen sind häufiger. Auch finden sich öfters Quetschungen des Gehirns (Kontusionen), welche als Folgeschäden in Erscheinung treten können.


Grad 3, Schweres SHT: Hier hält die Bewusstlosigkeit mehr als 30 min an. Knöcherne Verletzungen, Hirnquetschungen, Abklemmungen von Arterien mit sekundären Schlaganfällen und Blutungen des Gehirns und der Hirnhäute sind häufig (z.B. Epidural-, Subdural und Subarachnoidalblutungen). Durch Hirnschwellungen kann es in den Tagen nach der Verletzung zu weiteren Schäden kommen. Lang anhaltende Folgeschäden sind sehr häufig (z.B. Sehstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Gedächtnisstörungen, Lähmungen, Spastik, Schluckstörungen, Gefühlsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, Sprachstörungen und Störungen der Aufmerksamkeit, Wachkoma).


Unmittelbar nach einem SHT können auch akut-symptomatische epileptische Anfälle auftreten, die teils auch wieder ausheilen. Anfälle, die Wochen und Monate nach der Verletzung auftreten markieren hingegen den Beginn einer verletzungsbedingten Epilepsie, die meist nicht mehr ausheilt.



Im Rückenmarksbereich:


Grad 1, Rückenmarkserschütterung: Gefühlsstörungen und andere Reizerscheinungen von weniger als 48 Stunden Dauer nach der Verletzung.


Gard 2, Rückenmarksprellung: Hier treten auch Blutungen im Rückenmarkskanal auf. Unterhalb der Verletzung kommt es zu Gefühlsstörungen, Schwäche und Schwierigkeiten der Blasenkontrolle. Diese können auch länger anhalten und sogar permanent werden.


Grad 3, Rückenmarksquetschung: Hier drücken Bruchstücke von Wirbelsäulenknochen auf das Rückenmark. Unterhalb der Verletzung sind permanente Gefühlsstörungen, Lähmungen und Inkontinenz als Vollbild eines Querschnittssyndroms typisch.



Im Bereich des peripheren Nervensystems (Wurzeln, Nervengeflechte und einzelne Nerven):


Hier kommt es nach der Verletzung zu Gefühlsstörungen und / oder Schwäche im Bereich der betroffenen Nerven bzw. der betroffenen Wurzeln. Auch im peripheren Nervensystem werden drei Schweregrade unterschieden. Man kann sich Nerven wie ein Kabelbündel vorstellen. Ein dicker  Schlauch aus Bindegewebe umgibt mehrere kleine Drähte (Axone), die jeweils durch eigene Hüllen (Myelinscheiden) schützt werden:


Grad 1, Neurapraxie: Vorübergehende Irritation der Axone durch Druck- und Zugwirkung. Das Axon und seine schützunde Myelinscheide bleiben erhalten. Die Neurapraxie heilt folgenlos ab.


Grad 2, Axonotmesis: Schädigung des Axons und der Myelinscheiden bei erhaltener äußerer Hülle. Man es es sich wie einen Kabelbruch vorstellen, bei dem die äußere Hülle noch erhalten ist. Die äußere Hülle ermöglicht es den “drahtigen” Axonen, entlang der Führungsstrukturen nachzuwachsen (ca. 1 mm pro Tag).


Grad 3, Neurotmessis: Schädigung aller Nervenschichten, z.B. bei einer Durchschneidung oder einem Abriss des Nerven. Ohne eine operative Therapie heilen diese Schäden nicht oder nur teilweise aus.

Diagnostik

Maßgeblich nach einer Verletzung ist die Behandlung zuerst durch Krankenhausärzten (Unfall- und Neurochirurgen) und danach ggf. durch Rehabilitationsspezialisten, und erst zuletzt durch uns Neurologen (z.B. bei einer langfristigen Prognose der Wiederherstellung oder der Linderung der Folgezustände eines Neurotraumas). Neben dem ärztlichen Gespräch und der körperlichen Untersuchung kann die Diagnostik eine erneute Bildgebung und eine neurophysiologische Untersuchung beinhalten (Elektroenzephalographie, Elektromyographie, Neurographie oder die Messung evozierter Potentiale).


Bitte bringen Sie Ihre Vorbefunde aus dem Krankenhaus und der Rehaklinik mit. Sie sind für die weitere Behandlung relevant.

Nach einer Gehirnerschütterung oder einem Schleudertrauma sollte der Wiedereinstieg in den Sport graduell erfolgen. Wir beraten Sie gern!

Therapie

Im Falle leichter Verletzungen beraten und begleiten wir sie in Themen wie dem Wiedereinstieg in den Beruf oder Sport.


Ein gestufter Wiedereinstieg ins sportliche Training könnte z.B. so aus Sehen:


1.) Abwarten, bis keine Symptome mehr in Ruhe vorliegen.


2.) Leichtes aerobes Training, z.B. Spaziergänge, Fahradergometer.


3.) Sportspezifisches, aerobes Training, z.B. Joggen.


4.) Training ohne Kontakt, z.B. Agilitäts- oder Passtraining beim Fußball, aber noch keine Kopfbälle.


5.) Normales Training.


6.) Teilnahme an Wettbewerben wieder möglich.


Die ambulante Therapie schwerer Verletzungen des Nervensystems beginnt bei uns hingegen erst nach einer Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlung. Wir kümmern uns um die langfristige Linderung der Symptome (z.B. bei Spastik oder epileptischen Anfällen) sowie um die Weiterführung der Rehabilitation (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie) in Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen.

Quellen
Kutscher JS, Giza CC, Sports Concussion Diagnosis and Management, Continuum, Sports Neurology p. 1552-1569December 2014, Vol.20, No.6
Robinson CP, Moderate and Severe Traumatic Brain Injury, Continuum, Neurocritical Care p. 1278-1300. October 2021, Vol.27, No.5

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Hilfe und Selbsthilfe

Hier finden Sie eine kleine Auswahl an nützlichen Informationen, die Ihnen helfen:

Ratgeber Schädelhirntrauma
Leben mit Schädelhirntrauma e.V.
ZNS – Hannelore Kohl Stiftung für Unfallverletzte mit Schäden des Zentralen Nervensystems
Bundesverband Schädel-Hirnpatienten in Not e.V. und Deutsche Wachkoma Gesellschaft
Alexianer Köln GmbH, Zentrum für erworbene neurologische Erkrankungen