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Stoffwechsel & Ernährung

Das Nervensystem ist ein energiehungriger, elektrochemischer Computer. 1/3 aller Genprodukte werden hier hergestellt. Es reagiert empfindlich auf Veränderungen der zugeführten Nährstoffe, Mineralien, Vitamine und Hormone. Auch Alkohol und Medikamente können ihm zusetzen. Umgekehrt können bestimmte Ernährungsweisen positive Wirkungen entfalten.

Achten Sie besonders auf eine ausgewogene Ernährung, wenn Sie an chronischen Baucherkrankungen leiden oder mehrfach pro Woche Alkohol trinken.

Stoffwechsel und Ernährung sind bei vielen neurologischen Erkrankungen wichtig:

  • Metabolisch-toxische Erkrankungen von Muskulatur, Nerven,  Rückenmark und Gehirn.
  • bei Diabetes mellitus.
  • bei Alkoholsucht.
  • bei einseitiger, Unter- oder Über-Ernährung.
  • bei Magen-Darm-Erkrankungen und nach Magen-Darm-OPs.
  • bei Lebererkrankungen.
  • bei Nierenerkrankungen.
  • bei Hormonstörungen.
  • u.v.m.

“Deine Nahrung soll deine Medizin sein und Deine Medizin soll deine Nahrung sein”

– Hippocrates – Griechischer Gelehrter und Arzt, ~ 400 vor Christus

Vorsorge

  • Ausgewogene Ernährung mit:
    • Vitaminen
    • Mineralstoffen
    • hochwertigen Ölen und Fetten
    • Eiweiß
    • langsam abbaubaren Kohlenhydraten
  • Training und Sport
  • Meditation

Krankheitsbilder

Die elektrischen Signale, mit welchen Nervenzellen untereinander und mit den anderen Organen kommunizieren, sind auf eine stetige Nährstoffzufuhr und ein exaktes Gleichgewicht der Mineralstoffe angewiesen. Das Gehirn macht 2,5 % des Körpergewichts aus, verbraucht aber in Ruhe 20% der Energie, welche ihm durch die Tätigkeit der Verdauungsorgane sowie des Herz-Kreislauf- und Atmungssystems zugeführt wird. Kein Wunder, dass es besonders anfällig auf Störungen der Nährstoffzufuhr reagiert. Im Gehirn entstehen allerdings auch unterschiedliche Abfallprodukte, welche über die Nieren und die Leber ausgeschieden werden. Aus Sicht der Neurologen und Psychiater arbeiten alle anderen Organe dem Gehirn zu. Aus den Interaktionen der verschiedenen Nährstoffe und Organsysteme mit dem Nervensystem leiten sich eine Reihe möglicher Störungen ab.



Hormonstörungen verändern den Stoffwechsel nachhaltig und damit auch das Nervensystem:

  • Diabetes mellitus kann zu Erkrankungen einzelner und mehrerer peripherer Nerven führen. Ein schlecht eingestellter Diabetes tut dies häufiger als ein gut eingestellter Diabetes. Eine Unterzuckerung kann zu Bewusstseinsstörungen, Lähmungen und epileptischen Anfällen bis zum Koma führen. Eine extreme Überzuckerung kann ebenfalls ein Koma auslösen.
  • Schilddrüsenstörungen sind ebenfalls häufige Ursachen neurologischer  Veränderungen. Eine Unterfunktion führt zu Müdigkeit und Lethargie. Eine Überfunktion löst eher aufgekratzte Stimmung und Zittern aus. Im Extremfall können beide zu Bewusstseinsstörungen führen.
  • Störungen der Nebennieren und der Nebenschilddrüsen gehen mit Veränderungen der Mineralstoffe einher (s.u.).


Vitaminmangelzustände kommen nicht nur bei Hungersnöten vor, sondern auch bei Menschen mit sehr einseitiger Ernährung,  chronischen Magen- und Darmerkrankungen, Alkoholikern, Frauen mit sehr ausgeprägter Übelkeit in der Schwangerschaft oder Menschen, die sich einer Magenverkleinerung oder ähnlich großer Operationen der Verdauungsorgane unterziehen lassen.



Zu den neurologischen Vitaminmangelzuständen gehören: 

  • Vitamin A (Retinolsäure): Nachtblindheit.
  • Vitamin B1 (Thiamin):  Im Falle eines akuten Mangels kann die Wernicke-Enzephalopathie mit Doppelbildern, Gangunsicherheit und Verwirrtheit auftreten. Bei längeren Mangelzuständen droht das Korsakoff-Syndrom, eine Form der Demenz.
  • Vitamin B2 (Riboflavin): Mundtrockenheit, Migräne-Kopfschmerzen.
  • Vitamin B3 (Niacin-Mangel): Pellagra, eine Krankheit mit Ausschlägen, Depression, Kopfschmerzen und Demenz.
  • Vitamin B5 (Panthotensäure): brennende Füße, Schlaflosigkeit und Depressionen.
  • Vitamin B6 (Pyridoxin): Bei Mangel treten Verwirrtheit und Anfälle auf, sowohl Mangel als auch Exzess können zu Neuropathien führen.
  • Vitamin B9 (Folsäure): Denkstörungen, periphere Neuropathien.
  • Vitamin B12 (Cobalmin): Funnikuläre Myelose als Rückenmarkserkrankung, periphere Neuropathie, Verwirrtheit bis zur Demenz. Diesen Mangelzustand sehen wir am häufigsten.
  • Vitamin C (Ascorbinsäure): Ausschläge, Schwäche, Schmerzen, Kreislaufstörungen.
  • Vitamin D (Calciferol): Muskelschwäche, Kopfschmerzen, Tetanie, erhöhtes Risiko für Multiple Sklerose.
  • Vitamin E (Tocopherol): Spinocerebelläre Ataxie, periphere Neuropathie, Retinopathie pigmentosum.


Mineralstoffveränderungen, wie sie insbesondere bei Erkrankungen der Niere und der Nebenschilddrüse auftreten, können für zahlreiche neurologische Symptome verantwortlich sein.


Mögliche Mineralstoffveränderungen:

  • Natriummangel: Übelkeit, Kopfschmerz, Muskelkrämpfe. In schweren Fällen epileptische Anfälle, Lethargie bis zum Koma.
  • Natriumüberschuss: Schwäche, Bewegungsstörungen, Zuckungen. In schweren Fällen Anfälle, Hirnblutungen.
  • Kaliummangel: Schwäche, Muskelkrämpfe, Muskelschäden, hypokaliämische periodische Paralyse (sehr selten).
  • Kaliumüberschuss: Schwäche, verlangsamter Herzschlag, Hyperkaliämische periodische Paralyse (sehr selten).
  • Calciummangel: Gefühlsstörungen an Händen, Füßen und Mund, Muskelkrämpfe, Tetanie, Anfälle, Verwirrtheit, Psychose.
  • Calciumüberschuss: Muskelschwäche, Konzentrationsstörungen, Depression, Demenz, Angst.
  • Phosphatmangel: in schweren Fällen Gleichgewichtsstörungen, Halluzinationen, Zittern.
  • Phosphatüberschuss: Gefühlsstörungen an Händen, Füßen und Mund, Muskelkrämpfe, Tetanie, Anfälle, Verwirrtheit, Psychose.
  • Magnesiummangel: Zittern, Muskelkrämpfe, Tetanie, Anfälle, Verwirrtheit, Psychose.
  • Magnesiumüberschuss: Schwäche.
  • Übermäßige Säure: Kopfschmerz, Lethargie, Müdigkeit, Zittern, erhöhter Hirndruck.
  • Übermäßige Base: Schwindel, Gefühlsstörungen an Händen, Füßen und Mund, Muskelkrämpfe, Verschwommensehen.
  • Kupfer: Kupfermangel entsteht zuweilen bei übermäßiger Nutzung von zinkhaltiger Zahnprothesen-Haftcreme. Folge kann eine Myeloneuropathie mit aufsteigender Lähmung sein.


Weitere Erkrankungen des Stoffwechsels und der Ernährung:

  • Die seltene Erberkrankung Morbus Wilson mit Bewegungsstörungen und Nachlassen der Denkfähigkeit beruht auf einer Störung der Kupferausscheidung in der Leber.
  • Eine Leberzirrhose kann zu Apathie, Müdigkeit, Verwirrtheit, Zittern, Parkinsonimus, Rückenmarks- und Nervenstörungen führen. Akutes Leberversagen geht mit Koma, Hirndruck und Anfällen einher.
  • Chronische Niereninsuffizienz mit oder ohne Dialyse geht häufig mit einer Polyneuropathie, Schlafstörungen und einem erhöhten Schlaganfallrisiko einher.
  • Bei einer Vielzahl chronischer neurologischer Erkrankungen wurden Veränderungen im Mikrobiom, also in der Zusammensetzung der Darmbakterien beobachtet, z.B. bei der  Multiplen Sklerose, Parkinson- und Alzheimer-Erkrankung. Die Zusammenhänge sind allerdings noch weitgehend unerforscht.
  • Während einer Schwangerschaft finden immense hormonelle Umwälzungen im Körper statt. Vorbestehende neurologische Erkrankungen wie eine Migräne können sich hierdurch spontan bessern. Bei anderen, z.B. Epilepsie, muss ggf. die Medikation erhöht oder umgestellt werden. Insbesondere wenn auch ein Schwangerschafts-Bluthochdruck im letzten Schwangerschaftsdrittel oder kurz nach der Geburt auftritt, kommt es zuweilen zu Störungen der Hirndurchblutung. Gelegentlich treten auch bei ansonsten normalen Schwangerschaften Störungen peripherer Nerven auf (z.B. Karpaltunnelsyndrom).
  • Erkrankungen der Lunge, des Herzens, der Blutgefäße und Blutzellen können zu Schlaganfällen und Hirnblutungen führen.
  • Rheumatische Erkrankungen wie Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, rheumatoide Arthritis und Vaskulitiden können das Nervensystem durch Entzündungen oder Veränderungen der Knochen, Gelenke und Gefäße schädigen.

Diagnostik

Veränderungen des Stoffwechsels werden zumeist anhand der Blutwerte identifiziert. Routinemäßige Laboruntersuchungen wie  Natrium, Kalium, Nieren- und Leberwerte sind einfach bei uns oder in der Hausarztpraxis durchzuführen. Besondere Vitamin- und Nährstoffspiegel müssen hingegen aufwändig in Speziallaboren untersucht werden. Da sie seltener sind, gehören sie nicht zu den Standardleistungen und werden nur in dringlichen Verdachtsfällen angeordnet.

Was macht unseren Beruf aus? Gesundheit fördern, Krankheit verhindern, Schmerzen lindern.

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Stoffwechselerkrankung. Oft kann, z.B., ein fehlendes Vitamin durch Tabletten oder Infusionen ergänzt werden. Gegen Überschüsse helfen andere, spezifische Medikamente und Hormonersatzverfahren (z.B. Insulin beim Diabetes). In manchen Fällen werden spezielle Diäten notwendig. Die Behandlung von Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen finden in der Regel bei unseren Kollegen/Innen der Inneren Medizin statt.

Quellen
Continuum: Neurology of Systemic Disease. June 2020, Vol.26, No.3

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